Bericht Missionsrat 2012 Gandia / Spanien

 

„Wird EBM INTERNATIONAL überleben?“ Mit dieser provokanten Frage begann Generalsekretär Christoph Haus seinen Bericht auf dem diesjährigen Missionsrat (Delegiertenkonferenz) von EBM INTERNATIONAL in Gandia (Bezirk Valencia / Spanien). Die jüngsten Nachrichten über den Spendeneinbruch (- 400.000€) bei der 58-jährigen Missionsgesellschaft hatten nicht nur im deutschen Bund für Aufregung gesorgt. Zwar tragen deutsche Baptistengemeinden mehr als ¾ des Spendenaufkommens der Organisation, doch pro Kopf sind manche der 25 anderen Bünde inzwischen in Front. Sogar Bünde in Übersee geben eigene Beiträge zum Allgemeinbudget, anstatt nur auf der Empfängerliste zu stehen.

Allerdings machten die ca. 110 Delegierten und Gäste aus 21 Ländern von Anfang an deutlich, dass sie sich trotz der Zahlen nicht in Depression verstecken wollten. Selbstbewusst verstanden sich alle als „Missionare“, die eine kulturübergreifende Missionszusammenarbeit schätzen. „Bleib bei deiner Berufung“, rief Präsident John Sigudla aus Südafrika den Missionaren zu, als er – unterstützt von einer kraftvollen spanischen Worship-Band – eine der Abendpredigten hielt. Aber viele empfanden es auch als Prophetenwort für EBM INTERNATIONAL.

Mit dem Thema „Mission – A Global Learning Experience“ (Mission – eine Erfahrung Globalen Lernens) lag die Leitung der Mission genau richtig, denn es gab bei den durch lebendige Diskussionen aufgenommenen Berichten viele Aha-Effekte. So eröffnete Linda Koroma (Freetown/Sierra Leone) in ihrer Bibelarbeit „Die Rolle der Frau in der Mission“, dass an vielen Stellen das Evangelium ohne Frauen überhaupt nicht in die Länder gekommen wäre. Der Heilige Geist geht neue Wege, die sich Paulus nicht hat träumen lassen, als er an Timotheus schrieb. Auch die afrikanischen Gesellschaften ändern sich, sodass kulturelle Barrieren langsam überwunden werden.

In einem weiteren Unterthema „Ökologie und Gerechtigkeit“ erinnerte Christoph Haus an die „Erfindung seiner Generation“, die er durch die fachgerechte 4fach-Trennung bei der Entsorgung eines ostfriesischen Teebeutels demonstrierte. Nach der Bergpredigt sollen wir uns eigentlich nicht um Essen und Trinken Sorgen machen, weil unser Vater im Himmel ja weiß, dass wir „das alles“ benötigen. Aber jeden Tag sterben 10.000 Kinder an Unterernährung und begehen 15.000 indische Bauern jährlich Selbstmord, weil sie sich bei den Saatgut- und Düngerproduzenten bis über alle Ohren verschuldet haben. Wie klingt das Bibelwort in ihren Ohren? „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Matth. 6, 33) Das war für Christoph Haus früher: seinen Glauben pflegen und beten. Er hatte das Wort „... und seine Gerechtigkeit“ voll überlesen. Gott will nicht, dass diese Ungerechtigkeit herrscht, sondern dass wir einander gerecht werden und jeder hat, was er braucht. Und wenn wir Ökologie und Gerechtigkeit vergessen, vergessen wir Jesu Auftrag an uns. Mit der Frage von Mutter Theresa: „Kennst du die Armen deiner Stadt?“ entließ er eine nachdenkliche Missionsgemeinschaft in den Abend an der spanischen Mittelmeerküste.

Ehepaar Esther und Matthias Dichristin wurden als Missionare im AIDS-Desk in Südafrika verabschiedet. Ihr Einsatz war insofern ein voller Erfolg, als dass es jetzt eine gestärkte Struktur gibt, die aus eigener Kraft gemeindebasierte AIDS-Arbeit vor Ort leistet. Gleichzeitig wurde Matthias in seinen neuen Dienst als Afrika-Promotion-Referent in der Nachfolge von Volker Bohle eingeführt.

Er berichtete, dass fast unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit z.B. in Nordkamerun und Malawi in den letzten Jahren etliche Gemeinden gegründet wurden von Pastoren und Evangelisten, die von EBM AFRICA unterstützt werden. Der deutsche Missionar Dirk Pusch kommt nicht nach, die Ältesten der jungen Gemeinden zu schulen. Sie müssen ja die Gemeinden leiten und nähren, während die Pastoren in Ausbildung sind.

Regionalrepräsentant Dr. Timothée Bouba berichte von der Arbeit unter Muslimen. Es gibt immer wieder Bekehrungen, weil auch offen evangelisiert werde. Leider haben die Umtriebe der nigerianischen Islamisten-Sekte „Boko Haram“ die Situation hysterisiert, sodass man jetzt vorsichtig sein muss, was man tut.

Auch die frühere Partnerschaft des BEFG mit dem südafrikanischen Baptistenbund trägt Früchte. Sie haben unserem Beispiel nachgeeifert und Weltmission in Namibia begonnen. Der erste Student aus Namibia hat jetzt seinen Bachelor auf dem südafrikanischen College gemacht, unterstützt von der BCSA – ohne Einschalten von EBM INTERNATIONAL. Der Heilige Geist benutzt Strukturen wie EBM INTERNATIONAL, lässt sich aber nicht von deren Begrenzungen aufhalten.

Beim Lateinamerikabericht überwältigt schon seit einigen Jahren die Entwicklung in Kuba, die einige bereits als „Erweckung“ bezeichnen. Der EBM-Missionar Daniel Gonzales erzählte von einer Begegnung mit Leuten aus der ferneren Nachbarschaft, die ihn fragten: „Welches Gebet müssen wir nachsprechen?“ Er hatte sie nie vorher gesprochen, aber sie machten ihm klar, dass sie wüssten, dass es einen Gott gibt und sie jetzt mit Jesus leben wollten. Dann betete er mit ihnen, und sie wurden Christen, obwohl er sie noch nicht mal gerufen hatte. Die Kampagne „Cuba 2010“ führte zu einer engen Zusammenarbeit aller evangelikalen Gemeindebewegungen. Die Regierung propagiert Hexenkulte als Kunst und Kultur, aber viele Leute suchen jetzt geistliche Erfüllung in christlichen Gemeinden.

Aus Indien wurden besonders viele Projekte bekannt, die Gemeinden aus eigener Initiative begonnen haben und nur eine kleine Unterstützung benötigen. Christoph Haus, der die ehemalige „Hans-Herter-Indienhilfe“ jetzt in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, erklärt, dass diese „Local Ownership (Örtliche Verantwortung)“ zur Folge hat, dass die Projekte nicht untergehen, wenn die Unterstützung nicht mehr kommt und dass die Gemeinde viel mehr eingebunden ist. Seitdem die Indienhilfe in 2009 in EBM INTERNATIONAL eingegliedert wurde, sind zwar die Spenden um ca. 20% zurückgegangen, allerdings sind mehr Gemeinden als früher als Unterstützer gewonnen worden. Dabei wird oft ein umgekehrter Effekt beobachtet, dass sich die europäischen Gemeinden durch die Vielfalt der Gemeindeaktivitäten in Indien positiv herausgefordert fühlen.

Ertan Cevik berichtete aus Izmir/Türkei, dass immer mehr konvertierte Muslime sich unter familiärem Druck wieder von der Gemeinde abwenden. Trotzdem entstand eine neue Zweiggemeinde in Torbale, die seit einem Jahr zu EBM INTERNATIONAL gehört und die Mietzahlungen von der Missionsgesellschaft übernommen werden. Schönerweise hat die süddeutsche Unterstützergruppe „Aktion Smyrna“ ihre Zuwendungen aufrecht erhalten. Die afrikanischen Delegierten reagierten schockiert auf ein Foto von Ertan mit seinem Leibwächter, der ihm von der Regierung gestellt wird. Obwohl im weltoffenen Izmir ein eher gemäßigter Islam praktiziert wird, gibt es auch dort einige gewaltbereite Extremisten.

Eine gewachsene lebendige Diskussionskultur innerhalb von EBM INTERNATIONAL zeigte sich vor allem in den Gesprächsgruppen, wo z.B. Norweger, Malawier, Inder, Pommern aus Brasilien und Holländern über gesellschaftlich relevante Gemeinden diskutieren.

Für den aus der Exekutive (internationaler Vorstand) ausscheidenden Janos Papp (Ungarn) wurde der 60jährige Unternehmensberater Rui Teske (Sao Paulo / Brasilien) nachgewählt.

Somit gibt es nach der wiedergewählten Sierraleonerin Linda Koroma als afrikanische Stimme nun auch einen weiteren Vertreter Lateinamerikas in dem 9-köpfigen Gremium. Der bisherige Präsident Arild Harvik (Norwegen) wurde für vier weitere Jahre in seinem Amt bestätigt.

Zum Schluss ging es doch um die Zahlen. Das Jahr 2011 wurde mit über 320.000€ Defizit abgeschlossen, hauptsächlich verursacht durch dramatische Minder-Einnahmen aus dem BEFG im Bereich Afrika. Die Ausgaben konnten nicht in gleichem Masse reduziert werden, da 50% der Einnahmen im letzten Quartal einkommen. So sind die in den letzten drei Jahren aufgebauten Rücklagen jetzt ganz aufgebraucht und die Existenz von EBM INTERNATIONAL würde bei gleicher Entwicklung in diesem Jahr gefährdet. Zwar konnte durch einige Hilferufe im BEFG der Liquiditätsengpass überbrückt werden, jedoch ist noch nicht ganz klar, ob die Einnahmen der ersten Monate in 2012 einen grundsätzlichen Sinneswandel darstellen oder nur vorgezogen wurden.

Linda Koroma appellierte an die afrikanischen Bünde, die Situation in Europa ernst zu nehmen und nicht weiter zu träumen. “Lasst uns unsere eigene Berufung entdecken, Gott hat uns auch gesegnet, wir wollen nicht immer auf der Empfängerseite sitzen.“

Der Vorschlag der Exekutive, das Budget von Afrika um 200.000€ gegenüber 2010 zu senken, wurde damit erklärt, dass dort Minderausgaben für Missionsstationen enthalten sind, die nicht mehr von EBM INTERNATIONAL genutzt werden. Da die Delegierten von der Qualität und Notwendigkeit der EBM-Arbeit überzeugt sind, wurde für 2012 ein Budget von 3,9 M€ beschlossen. Dieses kann während des Jahres reduziert werden, wenn die Einnahmesituation dies erforderlich machen sollte.

Einstimmig berief der Missionsrat das Ehepaar Anna und Johannes Meyer (München) für den Missionsdienst im Berufsbildungszentrum in Thusong/Soweto (Südafrika). Als Koch / Kfz-Meister sowie Controllerin werden sie den Baptistenbund beim Aufbau dieses Zentrums bei Johannesburg unterstützen.

Eine wichtige, auch selbstkritische Diskussion über die „Ownership“-Frage kam ein bisschen spät im Programm. Aber die afrikanischen Delegierten fanden den Vorstoß wichtig, „auch wenn wir nicht in der finanziellen Misere wären“, wie Vincent Chirwa (Blantyre/Malawi) betonte. Viele Leiter wollen gemeindebasierte Projekte fördern, weil dies die Gemeinden aktiviert. Der Vorschlag, neben Spendengeldern auch Drittmittel einzuwerben (Regierungsgelder usw.), wurde sowohl positiv (davon können wir soziale Projekte finanzieren), als auch negativ betrachtet (wir machen uns abhängig / damit werden bescheidene Spenden „erschlagen“). Die Exekutive wird an diesen Fragen weiterarbeiten und Gespräche mit den Mitgliedsbünden führen.

Der nächste Missionsrat findet im Mai 2013 in Skien/Norwegen statt.

Ulrich Wagner
Komitee für Weltmission