Bericht von Dina Marquardt über Malawi (2011/2012)

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Es ist ziemlich verrückt, dass man sich von einem auf den anderen Tag auf einmal in einer anderen Welt befindet. Genau das ist es was man zu einem Aufenthalt in einem afrikanischen Land sagen kann: Es ist eine andere Welt.

Genau deswegen ist es nicht mit der deutschen Welt zu vergleichen. Das wird einem am Anfang noch schwer fallen, nicht den Vergleich zur deutschen Heimat zu ziehen, aber man muss eigentlich in dem Einsatzland ein neues Leben beginnen. Man lernt es sich in einer anderen Kultur sich zu verhalten, zu kleiden, zu leben. Vieles was hier in Deutschland normal ist muss man lernen zurückzusetzen und die Normalität in der anderen Kultur entdecken.

Das alles ist ein unglaublich spannender Weg, dabei aber auch ein nervenaufreibender, anstrengender Weg in dem man seine Gefühle auch entdeckt. Das Leben in einer einheimischen Gastfamilie ist natürlich eine Herausforderung. Man trifft nicht nur auf eine andere Mentalität, Lebensweise und Tradition sondern auch auf Menschen die für die nächsten Monate die Familie ersetzen sollen. Nicht immer ist es so, dass man auf der gleichen Wellenlänge ist wie die Familie. Konfliktsituationen werden nicht so gelöst wie es in Deutschland üblich ist und das muss man einfach so akzeptieren.

Ich habe mich anfangs in der malawischen Familie sehr wohl gefühlt. Ich hatte neben den Eltern und natürlich Beschäftigten im Haus noch 3 kleine Jungs daheim. Nach 2 Monaten kehrte der Alltag ein und ich lernte die Eltern der Familie richtig kennen. Die Mutter hat mich eigentlich nicht richtig angenommen und somit sagte man sich nur das Nötigste. Mit dem Vater kam ich besser zurecht, allerdings war er eher der typisch malawische Mann der alles für sich machen ließ.

Gott sei Dank hatte ich die 3 Jungs daheim, die für mich eine sehr große Bereicherung waren. Sie munterten mich auf und gaben mir immer das Gefühl, dass sie mich brauchten. Da sich die Eltern nicht viel mit den Kindern beschäftigten genossen sie immer wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit, das Vorlesen von Büchern, Erzählen von Geschichten, Tanzen, Singen und Spielen. Ich vermisse die Jungs sehr und habe sie so sehr in mein Herz geschlossen. Ich glaube, wir haben uns gegenseitig bereichert.

Das Essen ist in Malawi ziemlich einseitig. Es gibt in einem normalen malawischen Haushalt meistens Mittags und Abends Nsima (Maisbrei) mit Masamba (Gemüse) und eventuell Fisch oder Fleisch dabei. Ab und zu kann es Reis geben. Man muss sich wirklich daran gewöhnen aber einen super Ausgleich bietet natürlich die Vielfalt von Obst, die es in Malawi gibt: Mangos, Bananen, Ananas, Guaven die besser schmecken als man sie in Deutschland bekommen könnte und Sorten von Obst die man noch nie gesehen hat.

Besonders wenn man im Süden von Malawi lebt, kann man einfach auch mal fürs Wochenende auf Reisen gehen. Es gibt Nationalparks wo man tatsächlich Tiere in freier Natur sehen kann, den Malawisee, Berge zum Klettern. Natürlich ist es auch einfach nur toll zu reisen und somit die verschiedenen Transportmittel zu nutzen. Es ist ein Erlebnis mit 25 Menschen und auch mal Säcken voller Fisch auf dem Pickup zu fahren. Ich habe es geliebt zu reisen und es war unglaublich, dass ich auch andere Länder sehen konnte. Es bietet sich wirklich an nach Zambia und nach Mozambique zu verreisen.

Es kommt immer darauf an wo und wie man lebt aber natürlich muss man damit rechnen auch mal 4 Mal am Tag Stromausfall zu haben oder auch 3 Tage lang kein fließendes Wasser zu haben. Ich wohnte in 2 Häusern da meine Gastfamilie einmal umzog. Das erste Haus lag sehr außerhalb der Stadt, fast schon im Busch. Dort hatten wir ca. 3 Mal am Tag Stromausfälle, oft kam es auch vor, dass wir 3 Tage lang keinen Stromausfall hatten. Das Wasser floss bei uns immer. Das zweite Haus lag näher der Stadt und dort ging es mit den Stromausfällen nicht anders zu, allerdings hatten wir manchmal Tage lang kein fließendes Wasser.

Ab dem Zeitpunkt wo wir dort wohnen, duschte ich nur noch kalt und aus Eimern, da das Wasser aus dem Hahn kostbarer war. Wir hatten aber eine Wasserpumpe womit immer für Wasser gesorgt war.

Ich habe meine Arbeit geliebt und sie hat mich sehr bereichert und mir gezeigt wie wichtig ich bin. Ich habe bei der BACOMA gearbeitet, der Baptist Convention of Malawi. Dort unterrichtete ich die ganz jungen Kinder und ich arbeitete im Büro der Schule als auch im Büro für Projekte in den Dörfern. Den Kindern in der Schule brachte ich das Alphabet bei. Dort stand ich vor einer Klasse von 40-55 Kinder, 2-4 Jährigen. Ich nahm mir immer für eine Gruppe von Kindern Zeit um jeden den Buchstaben schreiben zu sehen und malen zu sehen. Dadurch lernte ich jedes Kind sehr gut kennen.

Ich war selbst begeistert darüber, dass ich schon nach einem Monat alle Namen kannte. Es war sehr anstrengend aber es hat mich sehr bereichert. Es war außerdem faszinierend zu sehen wie schnell sich die Kinder gegenüber mir entwickelten. Am Anfang schauten sie mich mit ihren großen schwarzen Augen an als wäre ich ein Gespenst. Schon nach einer halben Stunde kamen die ersten auf mich zu und berührten meine Haut und meine Haare. Schon nach den ersten Stunden kamen sie mir, sobald ich den Raum betrat, alle auf einmal entgegen um mich zu begrüßen. Ich musste dann die ersten Minuten erst einmal starr dastehen, mit einem Mob von Kindern um mich herum gewickelt und sie begrüßen. Diese Kinder waren so offen und herzlich und ließen mein Herz schmelzen.

Die Arbeit im Büro war dagegen sehr ruhig und nicht so anstrengend wie in einer Schule zu unterrichten. Ich half der Sekretärin dabei mit dem Computer umzugehen und unterstütze sie dabei, Ordner zu erstellen und Dokumente die sich seit Jahren angesammelt hatten zu ordnen. Ich habe mich mit allen Mitarbeitern an der BACOMA sehr gut verstanden und sie waren wie eine Familie für mich. Dort konnte ich mich auch mal fallen lassen und erzählen wie es mir geht. Auch hier habe ich das Gefühl, dass ich etwas bewirken konnte.

Neben der BACOMA habe ich noch an der Schule meiner Gemeinde `Computerstudies` unterrichtet. Auch hier hatte ich Klassen mit jeweils 55 Schülern. Die Kinder waren 8-12 Jahre alt. Hier galt es natürlich richtige Schulstunden zu planen und sogar einen Test zu schreiben.

Als ich das erste Mal in Deutschland hörte, dass ich in der Schule unterrichten sollte, rutschte mir mein Herz erst einmal ganz tief. Ich bin Anfang 20, bin gerade selbst aus der Schule gekommen und soll selber nun Schüler unterrichten? Es war eine unglaubliche Herausforderung für mich aber es war der beste Weg wie mir jetzt bewusst ist. Mir hat es so sehr Spaß gemacht die Kinder zu unterrichten und die Ergebnisse davon zu sehen. Die Kinder begegneten mir offen und herzlich.

Das Schönste was mir ziemlich am Ende von den Schülern gesagt wurde war, dass sie die Zeit mit mir genossen, in meinen Stunden etwas lernten und das sogar Spaß machte, sie sagten ich wäre die beste Lehrerin gewesen. Jeder kann sich vorstellen wie sehr einem das positiv zusetzt. Ich konnte mich nur schwer von den Schülern und der Schule trennen.

Der Gottesdienst in der Blantyre Baptist Church war unvergleichlich lebendig und motivierend. Natürlich kann solch ein Gottesdienst auch mal 3-4 Stunden lang gehen aber er ist voll von Liebe und Leben. Die Menschen in Malawi halten so sehr an Gott. Auf der Straße kann man sich mit jemanden über Gott unterhalten und die Geschäfte heißen oft „God is good-Cosmetics“. Es hat mich so sehr fasziniert, aber auch traurig gemacht, dass Europa mittlerweile dabei ist Gott zu vergessen.

Die Menschen auf der Straße in Malawi reagieren auf einen Weißen oft mit Begeisterung. Sie fragen ob man Hilfe benötigt, man schon lange hier ist, wie es einem gefällt und sie fragen wie meine Welt aussieht. Solch eine Distanz wie wir sie hier in Deutschland haben existiert in dieser Weise dort nicht. Ich habe gelernt, dass nicht nur der Volontär derjenige sein soll der andauernd dazu lernt. Das voneinander Lernen ist für mich und andere zu einer wichtigen Sache geworden. Deswegen sollte man offen sein für jede Fragen und Neugier von Mitmenschen. Man lernt seine eigene Kultur oft noch besser kennen wenn man davon erzählt während man in einer völlig anderen Kultur lebt.

Ein Volontariat prägt einen und seine Ansichten. Auch wenn man aus den Medien Bilder vor Augen hat wenn man an Afrika denkt, wenn man auf einmal mitten drin ist ist es anders als man es sich vorgestellt hat. Auch wenn man sich noch so sehr bemüht keine Erwartungen oder Vorstellungen zu haben, bestimmte Bilder hat jeder im Kopf wenn man an etwas denkt. Ich bin so viel mehr an Gott gewachsen und gehe nun viel offener mit meinem Glauben um. Ich bin so dankbar in Malawi als Volontärin gewesen zu sein. Die Zeit war auf allen Ebenen nicht immer leicht und ich musste mich viel mit mir selbst auseinander setzten, aber ich bin doch immer durchgetragen worden und in vielen Dingen sehe ich erst jetzt, dass die einzigen Spuren im Sand nicht meine waren, Malawi ist wirklich das warme Herz Afrikas und das Schönste noch dazu.

Es ist ein wundervolles Land mit so vielen Seiten, tollen Landschaften und tollen Menschen. Es ist witzig was man erlebt und dass man durch solche Erzählungen die Lieben daheim beeindrucken kann, z.B. durch: Ich habe heute meinen persönlichen Rekord im Minibus erreicht, in einem Bus für 14 ausgelegte Plätze fuhren wir mit 28 Menschen und 4 Hühnern 2 Stunden lang und ich saß dabei auch einer Eisenstange.

Ich bin dankbar für meine Arbeit und die Kinder mit denen ich arbeiten konnte. Ich habe das Gefühl ein Stück von mir hier zu lassen. Ich bin dankbar um jede Erfahrung. Alles ist so geschehen wie es von Gott gewollt und gut für mich war. Ich behalte diese Zeit immer in meinem Herzen. Alles was ich hinter mir lasse war gut und richtig so, auch wenn ich in manchen Momenten mein deutsches zu Hause wieder haben wollte und mich an etwas gestört habe, wenn ich jetzt daran denke war es gut. Ich vertraue darauf, dass alles was Gott mit mir vor hat richtig ist und er mir zeigen wird wie der zukünftige Weg aussieht.

Angekommen in Deutschland war es sehr schwer für mich, denn obwohl ich alles kannte war es doch so als würde ich vieles neu entdecken. Das Haus war riesig, mein Kleiderschrank und mein Computer mir noch ein wenig fremd. Alles ging hier nun schneller voran, es war sauber und man merkte mehr Distanz zwischen den Menschen als in Malawi. Ich merkte, dass ich mich anstrengen musste um hinterher zu kommen. Der Gottesdienst hier war sehr kurz und natürlich nicht so lebendig wie ich es bisher gewohnt war. Ich vermisste meine malawische Heimat und meine Arbeit.

Als ich das erste Mal hier in Deutschland mit dem Bus fuhr kostete die 10 minütige Fahrt so viel als wenn ich in Malawi in den nächsten Ort für 2h fahren würde. Meine Wäsche wurde nun von einer Maschine gewaschen und eine andere Maschine konnte zu derselben Zeit den Abwasch erledigen. Mein Bett war auf einmal riesig und gemütlich und ich genoss es mich in die Decke einzukuscheln anstatt das Lacken vor Hitze weg zu strampeln und mir das Moskitonetz aus dem Gesicht zu nehmen. Ich trug nun feste Schuhe die mich oft drückten und in den ersten Tagen war meine Winterjacke mein ständiger Begleiter. Das Essen war auf einmal vielseitig und in großer Menge verfügbar. Der Strom und das Wasser aus dem Hahn war auf einmal jederzeit verfügbar. Ich brauche keine Kerzen und auch der ständige Gang zur Wasserpumpe blieb nun aus. Ich hörte immer von Dingen die ich nicht kenne und es wird mir erklärt was eine `E-Zigarette` sein soll und was `wulfen` heißt.

Tatsächlich habe ich sogar schon gesehen wie sich Gegenden verändert haben oder neue Geschäfte eröffnet haben. Das alles lässt die letzten Monate wie eine Ewigkeit vorkommen. Das alles hört sich wohl an als würde ich eine absolut neue Welt für mich entdecken. Es ist aber tatsächlich so, dass ich meine alte, neue Welt nun wieder neu entdeckte und zwar mit anderen Augen als zuvor. Ich kann es nicht verstehen, dass ich nur 6 Monate davon fort war. Ich hatte mein Leben in Malawi schon begonnen.

Für mich war es die emotionalste Zeit meines Lebens und die hält auch immer noch an, 3 Monate nach meiner Rückkehr. Ich habe viel gelernt, gelacht, gestaunt, geweint. Ich habe Freunde gefunden, bin Gott sehr nah gekommen und habe nun ein großes Vertrauen zu ihm aufgebaut. Ich habe einen anderen Eindruck von dieser Welt bekommen in der wir leben. Ich habe Armut kennengelernt, aber auch erlebt, dass es in dieser Welt auch den Reichtum an ganz anderen Werten gibt. Ich habe gelernt Fleisch zu essen und gesehen dass man auch ohne Küchengeräte kochen kann und sogar einen Kuchen über dem Feuer zustande kriegt. Ich habe kennengelernt wie sehr die weiße Haut begehrt wird und wie viele einen deswegen heiraten möchten. Ich habe Elefanten, Giraffen und Nilpferde in ihrer freien Natur gesehen. Ich habe gelernt, dass für uns einfache Dinge für Andere Luxus bedeuten und ich habe mich selbst besser kennen gelernt.

Ich wünsche folgenden Volontären nur das Beste, tolle Begegnungen mit Menschen und mit Gott, eine bereichernde Arbeit, eine herzliche Familie und vor allem Momente die immer im Herzen bleiben werden.

Dina Marquardt