Bericht von Frederike Debora Elfgen über Malawi

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Jetzt sind schon 3 Monate um, seit dem ich ein letztes Mal Porige zum Frühstück gegessen, einen knielangen Rock angezogen, mein Gesicht in die warme malawische Sonne gestreckt und viele liebe Menschen verabschiedet habe um mit bunten Stoffen, Holzschnitzereien und unzähligen Erfahrungen nach Deutschland zu fliegen. Ich kann es kaum glauben, dass schon so viel Zeit vergangen ist und bevor sie mir entwischt, möchte ich euch noch mal abschließend berichten.

Freiwilliger Dienst der besonderen Art! 252,243,221..wenn ich einmal an den Anfang meines Tagebuchs blättere, finde ich diese riesigen Zahlen, Tage, die ich anfangs gezählt habe. Ich habe mich gefragt, wann ich mich endlich wohl fühlen werde und ob ich vielleicht doch nicht verlängere. Ich hatte Angst vor der Einsamkeit. Ich bekam den Tipp nach dem Adventskalenderprinzip zu leben. Sprich, mich immer nur auf das nächste absehbare Event zu freuen und die Tage nur bis dahin zu zählen.

Aber hatte ich es mir so vorgestellt? Jetzt, wo sich endlich mein großer Traum zu erfüllen schien, sollte ich da 9 Monate nach einem Prinzip leben müssen, mit dem die Zeit möglichst schnell vergeht und erträglich wird? Wo man immer nur nach vorne schaut und nie mal das Jetzt genießen kann?! Nein, aber für die erste Zeit war das wohl nötig, um die Kraft zu haben durchzuhalten, bis man das Papier vom Geschenk reißen kann.

Rückblickend kann ich sagen, dass es bis nach Silvester gedauert hat, dass ich das Gefühl hatte, angekommen zu sein, mich wohl gefühlt habe und glücklich war, noch 6 lange Monate vor mir zu haben. Wenn ich also sagen soll, was schwierig war, dann war es das Einleben. Alleine im Dorf zu sein, in dem viele Bewohner kein Englisch verstehen und ich kein Chichewa, eine Arbeit zu tun, die mir sinnlos und oft langweilig erschien und sich unter die Jugendlichen zu mischen, die selbst im Streit waren. Wie soll man sich integrieren, wenn alle deine Andersartigkeit laut herausrufen? Wie hab ich es geschafft? Ich hab jeden Tag neu in Gottes Hände gelegt und ihn gebeten, mich zu begleiten.

Ich habe mir vorgestellt, ein Königskind zu sein und dass die Kinder mir deshalb zurufen. Ich hab versucht, jeden Tag ein bisschen Chichewa zu lernen und zu sprechen. Ich hab mir Zeit genommen, um bei Gott meine Angst und Sorgen abzuladen und Kraft zu tanken, um unangenehme Situationen aushalten zu können. Außerdem habe ich versucht, kleine Momente zu genießen. Aber trotzdem, alleine kann man sich nicht einleben! Nein, dazu gehörte, dass die Mitarbeiter der Klinik mich herzlich aufgenommen haben, mir Sicherheit geschenkt haben und mir geholfen haben, die Sprache und ihre Kultur zu verstehen. Sie haben sich die Zeit genommen, unzählige Fragen zu beantworten.

Nicht zu Letzt hat Margaret, meine Gastmutter, mir viel erklärt, mich gefragt, wie es mir geht, mich mit Essen versorgt wie meine Oma und mir ein Zuhause geschenkt, in dem ich mich wohl gefühlt habe. Momente, in denen mir eine Patientin als Erste ein Lächeln schenkte, als ich sie auf Chichewa begrüßte, eine Zweite mich ihr Baby halten ließ oder 2 Mitarbeiter meinten, dass es gut wäre, dass ich hier bin, um ihre Arbeit kennenzulernen, waren etwas Besonderes und haben mich ermutigt. So habe ich ein Törchen nach dem anderen geöffnet und immer öfter hat sich dahinter ein Stück Schokolade versteckt.

Ich habe gelernt, dass meine Arbeit an sich keine sichtbaren Ergebnisse oder Erfolgserlebnisse bietet, aber auch nicht nutzlos, sondern Teil der Klinik ist. Ich hatte mir erhofft meine Fähigkeiten dort einzusetzen und zu entwickeln, das habe ich nicht erlebt, die Arbeit war simpel, die Herausforderungen fanden sich dafür im Zwischenmenschlichen, im alltäglichen Leben. Somit hat sich mein Wunsch doch erfüllt, zu erfahren, wie die Malawier ihr Leben gestalten, mich drauf einzulassen und es lieben zu lernen. Ja ich liebe Nsima, Mandazi und Beans, ich liebe es, auf einem Pick-up zu sitzen, durch die Sonne und den Staub zu fahren, ein bisschen zu plaudern, auf dem Markt einkaufen zu gehen und nicht in Hektik zu sein. Ich habe es genossen, im Hof meine Wäsche zu waschen und zu kochen und mir dabei unzählige spannende Lebensgeschichten und Weisheiten von meiner Gastmama anzuhören.

Ein sehr kostbares Geschenk war für mich die Freundschaft zu meiner Nachbarin Agnes. Bei ihr konnte ich ganz entspannt sein, weil sie nie etwas gefordert hat. Wir haben uns unterhalten und zusammen geschwiegen. Wir haben zusammen gekocht und gebacken, sie hat mir Chichewa mit viel Geduld erklärt, ich durfte ihr Baby kuscheln und ich habe unerwartetes Verständnis erlebt, wenn ich mal nicht wusste, wie man sich verhält. Am Ende haben wir sogar Abschiedsgeschenke ausgetauscht und es war schön, ihr ein bisschen was zurück zu geben.

Der Abschied von der Clinic gehört auch zu den ganz besonderen Momenten, denn ich wurde mit vielen lieben, dankenden Worten, Geschenken und Umarmungen verabschiedet. Es war einzigartig, wie wir uns alle an die Hände gefasst und sie ein Segensgebet gesprochen haben. Hatte ich doch lange das Gefühl, dass diese Monate nur mir etwas bringen, war es schön zu hören, dass sie es auch genossen haben.

Neben all dem haben noch die Zeit im Kinderheim, verschiedene Malawier und Nicht-Malawier, mit denen ich Zeit verbracht habe, meine Mentoreneltern und Geschwister, die Reisen und die wunderschöne Natur Malawis dazu beigetragen, dass es eine unvergessliche Zeit war. Jetzt bin ich wieder in Deutschland und wenn man mich fragt, was ich mitgenommen habe und was ich vermisse, würde ich so antworten: Ich vermisse das, was ich im Alltag lieben gelernt habe. Ich nehme mit, dass man auf verschiedene Weisen Leben gestalten kann und deswegen unterschiedliche Dinge schätzt.

Zusätzlich ist meine Dankbarkeit für die vielen Möglichkeiten hier in Deutschland, meine Familie und dass ich Menschen vertrauen kann, gewachsen. Weiter habe ich erfahren, was Armut bedeuten kann, dass es Unterschiede gibt und dass ich hier bewusster leben möchte. Ich nehme mehr Mut und Selbstbewusstsein für Herausforderungen mit und vor allem eine gestärkte Beziehung zu Gott.

Aber ja, ich nehme auch Gelassenheit und meine neuen Fähigkeiten wie Mangos mit dem Mund essen, Groundnuts ernten, Pillbags falten, Hühnchen rümpfen und viele mehr mit und hoffe, dass ich sie bald wieder einmal brauchen werde.

Frederike Debora Elfgen